Slovakisch
In ost-europäischen Ländern fallen die besonderen Zusatzzeichen
über den ansonsten bekannten Buchstaben auf. Meistens geht's um Zischlaute,
derer sich alle slavischen Sprachen reichlich bedienen. Das Folgende bezieht
sich auf Slovakisch.
Die slovakische Schriftsprache wurde 1843 von
Ľudovít Štúr als eigene nationale Schriftsprache
abweichend von der tschechischen transkriptiert. In Anlehnung an die aus dem
Mittelalter stammende böhmische Orthographie werden dabei Laute vornehmlich
durch diakritische Zeichen ergänzt, um eine vom Basis-Laut abweichende
Aussprache anzuzeigen.
Das Problem mit der Schreibweise der Zischlaute ist uralt und wie immer sind die
Römer schuld. Denn im Lateinischen existiert kein Buchstabe für "sch".
Den aber brauchen viele der indoeuropäischen Sprachen. Die Engländer
haben sich dazu mit dem "sh" beholfen, z.B. english. Diese Lösung
fanden die Deutschen ganz gut, aber noch verbesserungsfähig. So wurde das
"sch" erfunden, z.B. deutsch.
Auch Ľudovít Štúr, der zwei Jahre an der Universität in
Halle an der Saale weilte, fand die deutsche Schreibweise schick aber für
slovakische Zischlaute unbrauchbar. Für diesen einen Laut "sch"
verschwenden die Deutschen gleich drei Buchstaben! Er aber hatte noch eine
handvoll ähnliche Laute zu kodifizieren.
Die Lösung ist der sogenannte Hatschek oder Mäkchen. Er verändert
die Aussprache etwas. Allerdings ging die konkrete Zuordnung des Mäkchen zu
Buchstaben und Lauten irgendwie schief. Dass das damals keinem auffiel, ist
nicht weiter verwunderlich. Auch heute fällt den Slovaken keine
Unregelmäßigkeit in ihrer Schriftsprache auf. Aber uns.
Im Lateinischen sind "c" und "z" redundant, stehen also für den gleichen
Laut. So genommen ist einer dieser beiden Buchstaben übrig, den man
geschickterweise für das fehlende "sch" hätte hernehmen können.
Dummerweise ist "c" schon vergeben und immer "ts", niemals "k".
Halten wir also fest:
Wir brauchen zwei Buchstaben für die Basis-Zischlaute "s" und "sch".
Desweiteren brauchen wir ein Zeichen für die Kodifizierung "stimmlos" oder
"stimmhaft" und ein weiteres für ein einleitendes "t", das den Zischlaut
noch zischender zischen lässt. Das kann aber das vorhandene "t" oder "d"
sein (sonst bräuchte man ja noch ein zweites diakritisches Zeichen auf dem
gleichen Buchstaben. Dann also doch lieber eine Digraph-Kombination von zwei
Buchstaben).
Damit kämen wir auf folgende Zuordnung:
Beispiel |
stimmlos |
|
stimmhaft |
Beispiel |
|
s in Bus |
s |
|
š |
s in Rose |
sch wie Schule |
z |
|
ž |
g in Blamage |
ts wie Zitrone |
ts |
|
dš |
Prievidza |
Tschechien |
tz |
|
dž |
Dschibuti |
Aber nach Štúr, Hurban und Hodža sieht's heute so aus:
Beispiel |
stimmlos |
|
stimmhaft |
Beispiel |
|
s in Bus |
s |
|
z |
s in Rose |
sch wie Schule |
š |
|
ž |
g in Blamage |
ts wie Zitrone |
c |
|
dz |
Prievidza |
Tschechien |
č |
|
dž |
Dschibuti |
Hier qualifiziert der Hatschek immer den Zischlaut "sch", obwohl "sch" ein
Basislaut ist, der mal stimmlos und mal stimmhaft ausgesprochen werden kann.
Für "sch" stehen jetzt gleich drei verschiedene Buchstaben, nämlich s,
z oder c. Der Fehler besteht darin, dass ein Buchstabe des Alphabets hergenommen
wurde, um einen Qualifier, nämlich "stimmhaft" zu kodifizieren,
während andererseits der Qualifier Hatschek einen Buchstaben kodifiziert.
Ľudovít Štúr, der die besondere nationale Note wollte, ist
möglicherweise unschuldig. Auch er musste an schon Vorhandenes
anknüpfen. Wer genau das nun verdreht hat, weiß heute niemand mehr.
Eventuell schon
Jan Hus um 1413.
Auf die anderen Haken und Ösen hätte man getrost verzichten
können, wie die heutige SMS-Generation beweist. Die Aussprache ergibt sich
aus dem Zusammenhang und der Erfahrung.
Nun werden die Fachleute entgegnen, dass der Mäkchen ja, wie der Name schon
sagt, den Buchstaben, auf dem er hockt, besonders weich macht. Tut mir leid,
für mich ist "sch" auch nicht weicher als "s".
Es geht hier nicht um weiche oder harte Konsonanten, sondern darum, ob sie
stimmlos oder stimmhaft ausgesprochen werden können. Tatsächlich gibt
es da Unterschiede. Beispielsweise lassen sich b, d, g, k, p, t nicht allein
ohne Vokal aussprechen. Aber f, ng, j, l, m, n, r, s, v, w, z hingegen schon,
jedenfalls solange man noch Luft hat. Versucht einfach mal, eine Tonleiter auf
"l" zu singen, also nicht la-la-la und auch nicht lu-lu-lu sondern l-l-l. Das
geht!
Und das nutzen die Slovaken aus, weil sie Vokale nicht so richtig leiden
können. Die slovakische Sprache hat gute Chancen, in ein paar hundert
Jahren alle Vokale gänzlich weg palatilisiert zu haben.
Als ich mich neulich in einem Laden nach dem Preis erkundigte, bekam ich zur
Antwort: "Schtrrndzd". Ich habe sicherheitshalber nichts gekauft und erst
draußen kam mir der Gedanke, was wohl gemeint sein könnte - 14. (Im
Russischen hingegen werden die Vokale ordentlich ausgesprochen, wenn's auch
länger dauert - Tschetürjenadzatch)
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