2. Februar 2013
Slovakisch

In ost-europäischen Ländern fallen die besonderen Zusatzzeichen über den ansonsten bekannten Buchstaben auf. Meistens geht's um Zischlaute, derer sich alle slavischen Sprachen reichlich bedienen. Das Folgende bezieht sich auf Slovakisch. Ľudovít-Štúr-Denkmal in Zvolen

Die slovakische Schriftsprache wurde 1843 von Ľudovít Štúr als eigene nationale Schriftsprache abweichend von der tschechischen transkriptiert. In Anlehnung an die aus dem Mittelalter stammende böhmische Orthographie werden dabei Laute vornehmlich durch diakritische Zeichen ergänzt, um eine vom Basis-Laut abweichende Aussprache anzuzeigen.

Das Problem mit der Schreibweise der Zischlaute ist uralt und wie immer sind die Römer schuld. Denn im Lateinischen existiert kein Buchstabe für "sch". Den aber brauchen viele der indoeuropäischen Sprachen. Die Engländer haben sich dazu mit dem "sh" beholfen, z.B. english. Diese Lösung fanden die Deutschen ganz gut, aber noch verbesserungsfähig. So wurde das "sch" erfunden, z.B. deutsch.

Auch Ľudovít Štúr, der zwei Jahre an der Universität in Halle an der Saale weilte, fand die deutsche Schreibweise schick aber für slovakische Zischlaute unbrauchbar. Für diesen einen Laut "sch" verschwenden die Deutschen gleich drei Buchstaben! Er aber hatte noch eine handvoll ähnliche Laute zu kodifizieren.

Die Lösung ist der sogenannte Hatschek oder Mäkchen. Er verändert die Aussprache etwas. Allerdings ging die konkrete Zuordnung des Mäkchen zu Buchstaben und Lauten irgendwie schief. Dass das damals keinem auffiel, ist nicht weiter verwunderlich. Auch heute fällt den Slovaken keine Unregelmäßigkeit in ihrer Schriftsprache auf. Aber uns.

Im Lateinischen sind "c" und "z" redundant, stehen also für den gleichen Laut. So genommen ist einer dieser beiden Buchstaben übrig, den man geschickterweise für das fehlende "sch" hätte hernehmen können. Dummerweise ist "c" schon vergeben und immer "ts", niemals "k".

Halten wir also fest:

Wir brauchen zwei Buchstaben für die Basis-Zischlaute "s" und "sch". Desweiteren brauchen wir ein Zeichen für die Kodifizierung "stimmlos" oder "stimmhaft" und ein weiteres für ein einleitendes "t", das den Zischlaut noch zischender zischen lässt. Das kann aber das vorhandene "t" oder "d" sein (sonst bräuchte man ja noch ein zweites diakritisches Zeichen auf dem gleichen Buchstaben. Dann also doch lieber eine Digraph-Kombination von zwei Buchstaben).

Damit kämen wir auf folgende Zuordnung:

Beispiel stimmlos   stimmhaft Beispiel

s in Bus s   š s in Rose
sch wie Schule z   ž g in Blamage
ts wie Zitrone ts   Prievidza
Tschechien tz   Dschibuti

Aber nach Štúr, Hurban und Hodža sieht's heute so aus:

Beispiel stimmlos   stimmhaft Beispiel

s in Bus s   z s in Rose
sch wie Schule š   ž g in Blamage
ts wie Zitrone c   dz Prievidza
Tschechien č   Dschibuti

Hier qualifiziert der Hatschek immer den Zischlaut "sch", obwohl "sch" ein Basislaut ist, der mal stimmlos und mal stimmhaft ausgesprochen werden kann. Für "sch" stehen jetzt gleich drei verschiedene Buchstaben, nämlich s, z oder c. Der Fehler besteht darin, dass ein Buchstabe des Alphabets hergenommen wurde, um einen Qualifier, nämlich "stimmhaft" zu kodifizieren, während andererseits der Qualifier Hatschek einen Buchstaben kodifiziert.

Ľudovít Štúr, der die besondere nationale Note wollte, ist möglicherweise unschuldig. Auch er musste an schon Vorhandenes anknüpfen. Wer genau das nun verdreht hat, weiß heute niemand mehr. Eventuell schon Jan Hus um 1413.

Auf die anderen Haken und Ösen hätte man getrost verzichten können, wie die heutige SMS-Generation beweist. Die Aussprache ergibt sich aus dem Zusammenhang und der Erfahrung.

Nun werden die Fachleute entgegnen, dass der Mäkchen ja, wie der Name schon sagt, den Buchstaben, auf dem er hockt, besonders weich macht. Tut mir leid, für mich ist "sch" auch nicht weicher als "s".

Es geht hier nicht um weiche oder harte Konsonanten, sondern darum, ob sie stimmlos oder stimmhaft ausgesprochen werden können. Tatsächlich gibt es da Unterschiede. Beispielsweise lassen sich b, d, g, k, p, t nicht allein ohne Vokal aussprechen. Aber f, ng, j, l, m, n, r, s, v, w, z hingegen schon, jedenfalls solange man noch Luft hat. Versucht einfach mal, eine Tonleiter auf "l" zu singen, also nicht la-la-la und auch nicht lu-lu-lu sondern l-l-l. Das geht!

Und das nutzen die Slovaken aus, weil sie Vokale nicht so richtig leiden können. Die slovakische Sprache hat gute Chancen, in ein paar hundert Jahren alle Vokale gänzlich weg palatilisiert zu haben.

Als ich mich neulich in einem Laden nach dem Preis erkundigte, bekam ich zur Antwort: "Schtrrndzd". Ich habe sicherheitshalber nichts gekauft und erst draußen kam mir der Gedanke, was wohl gemeint sein könnte - 14. (Im Russischen hingegen werden die Vokale ordentlich ausgesprochen, wenn's auch länger dauert - Tschetürjenadzatch)