Acanthostega
Die Geschichte des Lebens ist lang.
Zirka 3 Milliarden Jahre mussten wir darauf warten, dass sich unsere Vorfahren,
die Bakterien, irgendwie sinnvoll zusammen rotteten, um mehrzellige Wesen zu
bilden. Mag man das jetzt Zufall oder Statistik nennen, die nächsten
Zufälle gingen jedenfalls etwas schneller.
Vor 360 Millionen Jahren lebte
Acanthostega gunnari
in flachen Gewässern der urzeitlichen Erde. Er war einer der ersten
Tetrapoden, Tiere, die schon vier Beine hatten und sich später zu den
erfolgreichen Reptilien entwickeln sollten.
Acanthostega war noch nicht so weit. Er schwamm noch ausschließlich im
Wasser, konnte aber schon mit seinen Gliedmaßen im Schlamm rumwühlen,
Wurzeln beiseite schieben, sich festklammern und was sonst noch ein junges
Amphibienherz begehrt.
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Articulated skeleton. Geological Museum, Copenhagen MGUH Field number 1227.
Photo M. Coates. Copyright © 1997 University Museum of Zoology, Cambridge.
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Sensationell bei diesem Fossilienfund aus Grönland war die Tatsache, dass
Acanthostega offensichtlich acht Finger hatte. Acht Finger! Das macht an beiden
Vorderfüßen zusammen sechszehn. Genial!
Aber dann hat die Evolution einen entscheidenden Fehler gemacht. Denn die ersten
Reptilien, die an Land gekrochen kamen, hatten nur noch fünf Finger. Herr
Gott - warum hast Du damals nicht Acanthostega gunnari raus an's Ufer geschickt?
350 Millionen Jahre lang hat das niemanden gestört. Im Gegenteil, wir
fanden es sogar noch lustig, einen der fünf Finger vorteilhaft zum Daumen
umzufunktionieren. Es ist nur so, dass unsere Ahnen irgenwann den Unterschied
zwischen eins und viele etwas genauer wissen wollten und deshalb mit der
Digitalisierung begannen. (Muss ich das jetzt erklären? lat. digitus - der
Finger, digital - mit den Fingern.) In Ermangelung weiterer Finger war dann eben
bei zehn Schluss. Schade.
Sechszehn - man stelle sich das mal vor. Das ist zwei hoch zwei hoch zwei. Was
Besseres gibt's doch gar nicht als Zahlenbasis. Okay, wir bräuchten dann
noch ein paar Zeichen für die Ziffern von zehn bis fünfzehn. Ich meine,
zweckmäßigerweise hätten sich dazu die Inder mit den Arabern vor
1000 Jahren auf Figuren einigen können, die wir heute auf dem Drucker
haben. Da das leider nicht der Fall ist, behelfen wir uns einfach mit den
Buchstaben A..F und behaupten, das seien Ziffern der Werte zehn bis
fünfzehn und nennen alles zusammen schlicht
Hexadezimalsystem.
Wir wissen heute, dass die geringfügig höhere Komplexität von
Hex-Zahlen ohne Probleme im täglichen Leben gemeistert werden könnte,
hätten wir in der Schule das kleine Einmaleins bis 8 x 8 und dann das
große Einmaleins bis 16 x 16 gelernt. Es wäre im Gegenteil einfacher
und so mancher Kummer wäre uns erspart geblieben.
Aber Acanthostega hat's vergeigt. Ist einfach ausgestorben und hat den
Fünffinglern das Terrain überlassen.
Und so müssen wir uns heute mit dem schwierigeren Dezimalsystem
rumquälen und wundern uns, warum auf dem Computer Zahlen krumm aussehen,
die eigentlich gerade sind und umgekehrt.
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Was sind eigentlich "runde Zahlen"? Was ist ein "runder" Geburtstag?
Zum Beispiel der 32. Geburtstag. Denn ab diesem kann man die Jahre nicht mehr
an einer Hand abzählen. - Denkpause - Also gut, wem die digitale
Zählerei zu albern ist, der könnte seinen 10000. Geburtstag
feiern. Zwei Beispiele für wirklich einmalige Daten im Leben, an denen
die meisten von uns völlig achtlos vorüber gehen.
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Aber bleiben wir nochmal beim Dezimalsystem. Da können wir ja noch von
Glück reden, dass es sich weltweit einheitlich durchgesetzt hat. Man stelle
sich vor, die Ägypter hätten an ihrem
Sexagesimalsystem (Basis 60)
der Pharaonenzeit festgehalten, dessen Nachwirkungen wir heute noch bei der
Uhrzeit und bei Winkelangaben spüren. Zu dumm, dass die großen
Geister der Antike den Kreis in 360 Grad geteilt haben und nicht durch stetiges
Halbieren in 256 Grad.
Gleiche Zahlen sind nicht gleich
Die Größenordnung einer Zahl wird gern mit ihrer physikalischen
Einheit verknüpft, z.B. Picosekunden, Nanometer oder Terabyte. Dafür
gibt es im Dezimalsystem alle drei Zehnerpotenzen einen wohlklingenden
Präfix, z.B. kilo für tausend.
Mit der aufkommenden Rechentechnik in den 50iger Jahren und zunehmenden
Speichergrößen entstand schnell die Praxis, auch für Zahlen
basierend auf Zweierpotenzen die gleichen Zahlenpräfixe zu verwenden wie im
Dezimalsystem. Nun ist aber das Dezimalsystem so fürchterlich unrund, dass
eigentlich nichts passt. Mit etwas Mut kann man eine Ähnlichkeit zwischen
210 und 103 erkennen. Da aber 1024 nicht 1000 ist, hat man
das K (sprich "Ka") erfunden, um den Unterschied zum kilo zu dokumentieren.
Damit war aber schon Schluss mit der Exaktheit, denn das große M für
1024 K war nicht mehr vom großen M für Mega zu unterscheiden. Die
Differenz zwischen beiden wuchs nun schon auf 48576 an. Fortan sollte man
einfach wissen, wovon die Rede war. Und Betriebswirtschaftler rechnen da
naturgemäß anders. Meine 500 GB Platte hat 465 Gigabyte (Laufwerk C:,
rechte Maustaste, Eigenschaften).
Housends and Hillions
Das Problem ist, dass die vom Dezimalsystem entlehnten Namen und
Größen mit dem auf Dualzahlen aufbauendem Oktal- oder
Hexadezimalsystem inkompatibel sind. Zudem sind die Dreierschritte bei den
Exponenten eher willkürlich gewählt.
Was wir brauchen sind unverwechselbare neue Begriffe für wichtige
Größenordnungen in der binären Welt.
Hundert (engl. hundred)
- Hundert hex, entlehnt von dezimal Hundert
- Präfix: hexo
- 28, 256(dez), 100(hex)
Hausend (engl. housend)
- entlehnt von Tausend, aber mit H am Anfang (von Hex)
- Präfix: hilo
- 216, 65 536(dez), 1 0000(hex)
Hillion (engl. hillion)
- entlehnt von Million, aber mit H am Anfang
- Präfix: hega
- 232, 4 294 967 296(dez), 1 0000 0000(hex)
Hilliarde (engl. hilliard)
- entlehnt von Milliarde, aber mit H am Anfang
- Präfix: higa
- 264, 18 446 744 073 709 551 616(dez), 1 0000 0000 0000 0000(hex)
Hipion (engl. hipion)
- Kunstwort (sprich Haipjen)
- Präfix: hipa
- 2128, 1 0000 0000 0000 0000 0000 0000 0000 0000(hex)
Das dürfte erstmal reichen.
Ein Beispiel:
0x3a7b150c0f41 - das sind
drei a sieben be hillion eins fünf null ce hausend null eff vier eins
Oder meine Platte hat 74,7 hegabyte.
In obiger Aufstellung fehlt der Begriff für 24 = 10(hex).
Die natürliche Sprache hat aber dafür keinen Präfix sondern einen
Suffix. Im Dezimalsystem ist es das -zig, nun bräuchten wir ein -hig und
im Englischen ein -hy.
Die Lage ist aussichtslos. Wer ist schuld?
Es war vor langer, langer Zeit ...
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